Hier herrscht Dauer-Winter bei knackigen 48
Grad minus
Die begehrten Schlachtprodukte der Firma CDS aus
Crailsheim können nur im tiefgefrorenen Zustand ihre Reise in
die ganze Welt antreten. Von Harald Zigan
Grimmige, so wirklich grimmige Kälte kennt der Hohenloher nur aus TV-Reportagen: Kernige Sibiriaken stapeln da ihre Milch in Scheiben vor dem Haus und ein abgehärteter Inuit nimmt ein erfrischendes Bad im Nordpolarmeer – bei Temperaturen, die unsereins schon beim bloßen Zuschauen zittern lassen.
Etwas weniger sittsame Privat-Sender zeigen auch gerne mal, wie man tatsächlich eine Stange Wasser in die Ecke stellen kann…
270 Frauen und Männer, die bei der Firma CDS in Crailsheim ihr Geld verdienen, können über derlei spektakuläre Impressionen aus den eiskalten Ecken dieses Planeten nur müde lächeln: Nur wenige Meter nach einer unnachgiebig strengen Hygiene-Sicherheitsschleuse sind sie ebenfalls mittendrin in einer Welt der knackigen Minusgrade, die sich nur mit Thermo-Jacken, Thermo-Hosen und speziellem Schuhwerk ertragen lässt.
Und wer dort mit einem batteriebetriebenen Gabelstapler durch die Hallen schwirrt, erfreut sich ganz gewiss an einer vollisolierten, gläsernen Kabine inklusive Sitzheizung.
Der geschäftliche Erfolg des Unternehmens CDS, das 1972 von Hanspeter Hackner in Crailsheim gegründet wurde, fußte viele Jahre lang auf Naturdärmen von Rind, Schwein und Schaf, mit denen Metzgereigenossenschaften und Zwischenhändler beliefert werden. 1997 zog die Firma aus der Schlachthof-Nähe in das Industriegebiet Flügelau an der Roßfelder Straße um, und der Sohn Michael Hackner stieg mit in die Geschäftsführung ein.
BSE-Krise war eine Chance
Die Rinderkrankheit BSE stürzte CDS Ende des Jahres 2000 in eine tiefe Krise: Der Umsatz sank in kürzester Zeit um 40 Prozent, die Rendite rutschte gar um 50 Prozent in den Keller. Das gut eingespielte Duo Hackner suchte nach einem Ausweg aus diesem Desaster – und widmete sich nicht nur verstärkt den „Schlachtnebenprodukten“, sondern auch der Technik, mit der die sensiblen Naturdärme befüllt werden können.
Was den Europäer auf dem Teller grausen mag, gilt anderswo auf Erden als wahre Delikatesse. CDS kann mittlerweile (fast) alle Geschmäcker der Welt bedienen: Rinderfüße und Spanferkelköpfe zum Beispiel sind in der afrikanischen Küche sehr gefragt, und die Chinesen schätzen nicht nur die
Vorderfüße vom Schwein, sondern auch den Magen des Borstenviehs – im Reich der Mitte kostet dieses Teil übrigens weitaus mehr als Schweinefilet.
Wer über solche Speisen die Nase rümpft, stelle sich einmal kurz vor, welche Reaktionen die vielgeliebte
deutsche Blutwurst im Rest der Welt auslöst. Und schließlich sorgt CDS dafür, dass ein Schlachttier fast zu 100 Prozent für den menschlichen Verzehr verwertet wird. Normalerweise endet hierzulande rund ein Drittel von Schwein und Rind als Heimtierfutter, Gelatine oder Dünger.
Eiskalt geht es auf einem dritten Geschäftsfeld zu, das CDS seit 2003 bestellt: Die eigenen Kühlhäuser nutzten die Hackners Zug um Zug auch für frostige Dienstleistungen für Firmen, die etwa Grillkäse oder Fruchtsaftkonzentrate deponieren wollen. In erster Linie dienen die Kältekammern natürlich für die
eigenen CDS-Produkte. Zum Kostenpunkt von drei Millionen Euro baute CDS vor einem Jahr einen sogenannten „Mehretagen speicher froster“, der es in sich hat: Bei minus 35 Grad erstarren hier pro Tag 500 Tonnen Ware auf Fließbändern zu knackekalten Kartons mit je 10 oder 20 Kilogramm – die moderne Anlage schafft das in der Hälfte der Zeit wie bisher und spart zudem viel Energie: CDS bezahlt jährlich immerhin eine Stromrechnung für 26 Millionen Kilowattstunden.
Normale Kulis versagen
Wer’s noch eisiger mag: Ein Schockfroster schafft minus 48 Grad. Auch dieser Anlage begegnet Tobias Jaeger mit dem gebührenden Respekt.
Seit 18 Jahren arbeitet der Crailsheimer bei CDS und zeichnet für
die Verladung der Ware verantwortlich. Maximal 45 Minuten halten sich Tobias Jaeger und seine Kollegen bei Reparaturen oder Inventuren gut geschützt in den Frosteranlagen auf: „Auch mit Wasser müssen wir sehr vorsichtig sein, weil es binnen Sekunden gefriert“, sagt Tobias Jaeger. Und für Notizen
braucht es spezielle Kugelschreiber, die bei dieser Kälte noch funktionieren.
Die Arbeit im Dauer-Winter härtet jedenfalls ab: „Erkältungen sind bei mir selten“, sagt Tobias Jaeger.
Kein Wunder aber auch, dass er sich alle zwei Jahre einen Urlaub im sonnigen Florida gönnt…